»Dass man Schubert als poetischen Musiker bezeichnen könnte, liegt nahe.
Aber bei Max Reger gibt es diesbezüglich einiges zu entdecken…«
Aktuell vor dem nächsten Konzert beim Schubert Festival Wien gibt Michael Lessky Einblicke in die poetische Welt von Schubert und Reger:
Beim Namen Max Reger, dessen 100. Todestag am 11. Mai gefeiert wird, denken die meisten Musikfreunde nicht sofort an ein bestimmtes Werk, wahrscheinlich bleiben die spontanen Gefühle etwas indifferent. Wie ist das bei Ihnen?
Ich verdanke meinem Orgellehrer Franz Falter die ersten und bleibenden Eindrücke von Regers Musik: ich studierte mit ihm die große Wachet auf-Phantasie, Präludien und Toccaten und war sofort begeistert. Eine sehr emotionale Musik mit einem großen Bogen, im Detail sehr diffizil und kunstvoll gestaltet. Seine kühne Harmonik, ein stetes Anspannen und Entladen und eine keineswegs oberflächliche Virtuosität konnten mich sofort entfachen.
Wie kommt Reger in ein Schubert-Programm?
Claudio Abbado hat seinerzeit die Schubertlieder-Orchestrierungen von Reger wieder entdeckt und immer wieder gespielt. Reger wollte wahrscheinlich den Klanggehalt der Lieder noch verfeinern, denn er veränderte keine Note von Schubert, übertrug jedoch kunstvoll die Klavierbegleitung auf die Farben und Möglichkeiten des Orchesters, sodass wir jetzt Stimmen heraushören können, die normalerweise in der Klavierbegleitung untergehen. Ich denke, dass ihn auch die Textwahl Schuberts angesprochen hat, Im Abendrot, Nacht und Träume, An den Mond und natürlich die „Hits“ wie Gretchen am Spinnrad oder Erlkönig.
„An die Hoffnung“ ist eine eigene Vertonung Max Regers eines Hölderlin-Textes.
Wie auch bei Brahms, Mahler, Anton von Webern, Britten oder Berlioz ist Schubert der Inspirator für weitere Höhenflüge gewesen, gleichsam an seiner Hand konnte man weitergehen. „An die Hoffnung“ ist eine großartige „Szene“ für Altsolo und Orchester, ein spätes Werk von Reger. Der Komponist interpretiert die Hoffnung als herbei gesehnte Geliebte, die „holde“, die er „finden will“, erweitert sogar ein bisschen den Originaltext. Eine Hoffnung, die auch wie bei Hölderlin mit seiner Susette Gontard nicht mit dem Irdischen endet. Jede gebundene Sprache von Hölderlin ist ja eigentlich schon Musik per se, Reger gelingt es jedoch hier, Musik und Sprache verschmelzen zu lassen und kunstvoll mit Tönen Empfindungen nachzuzeichnen, die schon die Sprachmelodie in uns hervorruft.
Wie kann man die Musik Regers stilistisch einordnen?
Max Reger selbst spricht von einem entscheidenden Wagner-Erlebnis, das eine „Parsifal“-Aufführung bei ihm auslöste. Bei „Tristan“ ging es ihm ebenso. Und so finden wir auch beim Gesang „An die Hoffnung“ eine Stelle, wo der Parsifal-Akkord ganz deutlich erklingt: nämlich wo es heißt „dich will ich suchen“. Seine Musik stellt eine ganz klare Entwicklung von der Romantik bis zur Moderne dar, obwohl er nur 43 Jahre lebte. Wir dürfen auch nicht vergessen, viele seiner Kammermusikwerke wurden in Wien vom Schönberg-Verein gespielt.
Warum wird Reger so selten aufgeführt?
Darüber habe ich auch nachgedacht. Er verlangt von den Musikern das Höchste, sein Oeuvre ist sehr reich, er lässt sich auch nicht schubladisieren. Vielleicht ist die Zeit jetzt nicht gerade reif dafür. Aber zumindest in Deutschland gibt es heuer interessante und große Zyklen mit seiner Musik.